Meerchen (Auszug)

seedrache-1War einmal ein Prinz namens Dieter, der arbeitete in einer Werbeagentur. Alle hielten ihn für tot, die Firma hatte nämlich einen Schiffsausflug unternommen, doch war es ein ziemlich bröckeliger Kahn gewesen, so dass die ganze Bande jämmerlich ersoff. Bis auf den Prinzen, der von einer Meerjungfrau gerettet wurde, die sich spontan in ihn verliebte.

Auch ihm gefiel die Meerjungfrau. Zudem war er sehr auf sie angewiesen. Mit einem geheimen Zauber hauchte sie ihm alle drei Tage neues Leben ein, weil er sonst auch ertrunken wäre. Sie zogen in das Unterwasserschloss ihres Vaters, der ein mächtiger König in der Meereswelt war.

Das geschah vor 27 Jahren. Die Meerjungfrau, die immer eine Jungfrau geblieben war, da konnte sie machen, was sie wollte, hatte jetzt von dem alternden Prinzen ziemlich die Nase voll. Zwar konnte er bald mit Hilfe einer gütigen Meerfee (juhu – ein Wort mit 4 „e“ und nur 3 weiteren Buchstaben) das Schwimmen erlernen, aber bis auf die Geschichte mit dem Schiffsunglück und ein paar dumme Werbesprüche hatte er nichts zu bieten. Sie selbst war auch nicht mehr die Jüngste und erwartete mehr vom Leben. Kurzum, die Meerjungfrau beschloss, ihn in den Wahnsinn zu treiben, damit er seines Lebens überdrüssig würde.

Eines Morgens bat sie ihn, nach den Eierfischen zu schauen. Das waren Fische, die fortwährend nach blödsinnigen Wasserwürmern schnappten, um dann ungewöhnlich große Eier zu legen. So ging er in den Stall, sammelte die Eier auf. Seine Frau aber schalt ihn und fragte, warum er die armen Tiere bestehle. Der Prinz schüttelte verwundert den Kopf, brachte die Eier zurück. Kam mit leeren Händen zu Hause an. So schimpfte sie ihn umso mehr, weil er sich nicht genug um sie sorge und ob sie denn ewig auf die Eier warten solle. So ging das den ganzen Tag hin und her, bis der arme Tropf erschöpft ins Wasserbett fiel.

Fuhr ihn die Meerjungfrau an, was er sich nun erfreche. Es sei heller Tag und die Milchkrebse müssten gemolken werden. Leider gibt es gar keine Milchkrebse, nicht einmal in diesem Märchen, so dass der Prinz noch verzweifelter wurde und sich fragte, ob er nun den Verstand verloren hätte. Er schaute sich auf dem Unterwasser-Hof um. Da waren keine Milchkrebse, dafür ein gewaltiger pickeliger Seedrache, der dort nicht hingehörte, sondern die Meerjungfrau rauben wollte, was er auch tat, ohne Dieter eines Blickes zu würdigen.

( 2010 )

Den kompletten Text kann man in meinem Buch „Am Donnerstag hat Gott Geburtstag“ lesen.

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