Herr Wilfried und die Hamburger (Auszug)

hamburger… 

Drittes Kapitel, in dem Frau Hagebusch einen Vertrag aushandelt

Herr Wilfried nahm am Fenster Platz. Erstaunt beobachtete er, wie sie sich mit zwei Hamburgern, einer Doppel-Portion Pommes und fast einem Liter Cola versorgte und das alles zu ihm balancierte.

Wie kann man das Zeug nur freiwillig in sich hineinstopfen? Das muss einen ja umbringen. Vorausgesetzt natürlich, man steht auf der Liste.

„Was gucken Sie so?“, fragte er mürrisch. „Als wäre ich der erste Mensch.“

Frau Hagebusch blinzelte. „Solche Augen wie Ihre hab ich noch nie gesehen. So kalt und doch irgendwie anziehend. Fast, als wären da gar keine Augen, nur der Blick.“

Herr Wilfried schwieg. Das hatte ihm noch keiner gesagt. Ziemlich frech.

„Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?“, fragte Frau Hagebusch unvermittelt.

„Das habe ich noch nie“, erklärte Wilfried. „Das ganze Sterben wäre sinnlos, die Quälerei umsonst. Warum wollen Sie das wissen?“

Frau Hagebusch stützte ihr Kinn auf die Hände und sah ihn direkt an. „Weil ich glaube, dass Sie mir helfen können.“

Doch er beharrte: „Sie sind noch nicht dran.“

Da er es dabei beließ, wandte sich Frau Hagebusch missmutig ab. „Wer sonst? – Die Frau an der Theke? Oder die mit der gelben Tasche da? He, vielleicht kann ich Ihnen auch einen Gefallen tun, vorher natürlich.“

Herr Wilfried winkte ab. Welchen Gefallen konnte sie ihm schon tun? Für ihn gab es nur die Unendlichkeit. Einsam, kalt. Sein Blick lief über das Durcheinander im Restaurant. Jeder hier hatte eine Ziellinie, wenn sie auch unsichtbar war. Ein klares Ende. Jeder, außer ihm.

„Sie wissen, was ich mache?“ fragte er leise.

Frau Hagebusch nickte langsam. „Was wäre, wenn ich es wüsste?“

„Ich böte Ihnen ein Geschäft: Sie übernehmen drei Aufträge, dafür lege ich beim Chef ein Wort für Sie ein.“

„Und was haben Sie davon?“

„Jeder braucht einmal Urlaub, oder?“

Sie handelte: „Einen Auftrag.“

„Zwei.“

„Abgemacht. Was muss ich tun? Wo ist die Liste?“

„Ich habe keine Liste“, antwortete er. „Die Hamburger verraten es mir.“

(2010)

Den kompletten Text kann man in meinem Buch „Am Donnerstag hat Gott Geburtstag“ lesen.

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