Ende gut, alles gut

Es war an dem Tag, als alle Güter der Welt vergeben waren: die Schönheit ebenso wie der Reichtum, aber auch die Dimensionen, die Zeit, das Leben selbst waren verteilt. Zunächst hatte jedes Ding seinen Anfang bekommen. Dann bekam es das Material, aus dem es bestehen sollte: Steine waren aus Stein, Plastiktüten aus Plastik, Schweine aus Schnitzel und so weiter. Schließlich kamen die Eigenschaften an die Reihe: Computer wurden schnell, Mäuse leise und Mausefallen schnell und leise.

An jenem Tag hatte das Weltall schlechte Laune. Es kam nicht recht aus dem Bett, vom vielen Drehen war ihm schwindlig, die Sterne brannten. Also zog es seine Sporenstiefel an, setzte den Cowboyhut auf und trottete in die nächste Kneipe. Dort traf es seinen Kumpel Gott.

»He, Gott, hast du auch nichts zu tun?«

»Ach, ich hab genug. Jeden Tag was Neues erfinden, damit diese Horden von belebter und unbelebter Materie irgendwelche Gaben abgreifen können. Mir reicht‘s. Ich hör auf.«

Gott zog die Krawatte zurecht, die wie stets hervorragend mit Hemd und Anzug harmonierte.

»Wie, du hörst auf?«

»Keine Ahnung, All. Ich werd noch irgendwas Tolles rausschmeißen, dann ist Feierabend.«

»Echt? Was denn?«

»Vielleicht noch n bißchen was mit Fliegen oder so.«

»Oh Gott, ist ja langweilig, kann doch schon alles fliegen: Vögel, Käfer, sogar die doofen Fleder-Mäuse.«

»Und schwimmen? Ja, schwimmen ist doch gut!« fiel Gott ein und er fragte: »Was ist, noch ‘n Bier?«

»Ja, klar. Gott sei Dank vertrag ich was.«

»Bitte, bitte.«

Das All kratzte sich die Schulter. »Aber schwimmen kann doch auch schon jeder. Sogar Milky Way schwimmt. Mich macht das wahnsinnig.«

Da schlug sich Gott an die Stirn.

»Ich hab’s. Ich hab’s! Das ist es.«

Er ließ das All stehen und rannte in sein Büro. Davor wartete schon seine Fangemeinde. Heute, zum allerletzten Mal, wollte er sie nicht enttäuschen. Sobald er erschien, blendeten Scheinwerfer auf, Mikros wurden ihm entgegengehalten. Reporter quasselten durcheinander. Gott hob die Hände. Langsam beruhigte sich die Meute. Er stellte sich breitbeinig in Positur, lächelte charmant in die Kameras und sprach: »Meine Damen und Herren, hiermit gebe ich meinen Rücktritt bekannt.« Ein Raunen ging durch die Menge.

Eine von ihm mit reichen Gaben versehene Reporterin fragte: »Aber was willst du denn tun, mein Gott?«

»Ich mache Schluss. Und zwar ab 14 Uhr. Wer dabei sein möchte, ist herzlich willkommen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.«

Während Gott hinter der Tür verschwand, zerstreute sich schnell die Reportermenge, um die Nachricht von seinem Rücktritt zu verbreiten.

In dieser Zeit hatte das Weltall sich noch einige Drinks genehmigt. Es torkelte traurig nach Hause und fiel ins Bett. Das All sah keine Nachrichten mehr, las keine Zeitung und hätte es Nachbarn gehabt, hätte es nicht bemerkt, wie sich diese sofort auf den Weg zu Gott machten.

Dort hatte sich bald eine lange Schlange gebildet. Doch Gott war schnell, deshalb dauerte es nur kurze Zeit, bis auch der letzte in der Reihe vor seinen Schreibtisch trat. Das war die Wurst.

»Ach, hallo Wurst. Na, wollen wir doch mal sehen, was wir hier haben.«

»Hallo, Gott. Was verteilst du denn heute?«

»Pass auf: Heute gibt’s das Ende. Also … sag mal, Wurst, bist du wirklich die Letzte in der Schlange?«

»Ja, hinter mir kommt keiner mehr.«

»Merkwürdig, hier sind noch zwei übrig. Bist du wirklich die Letzte?«

»Ja, zum Teufel. Dann gib mir halt beide.«

»Okay, ich will hier endlich raus. Da hast du den ganzen Rest.«

Und so kam es:

1.) Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.

2.) Das Weltall ist unendlich.

(© 1999)

 

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