Hugo – Eine Verwandlung (Auszug)

Sie müssen nicht Phillipp Marlowe sein, um es schon einmal erlebt zu haben: Sie spazieren allein durch eine Straße und plötzlich ertönt neben Ihnen dieses kurze Summen einer zu groß geratenen Hummel. Jemand hat einen Türöffner betätigt. Völlig ohne Grund. Fragen Sie sich dann, was dahinter steckt? Oder haben Sie etwa selbst schon, ohne Sinn, den Türöffner gedrückt? Ich jedenfalls nicht und ich wollte wissen, was das für Leute sind. Es gab eine Zeit, da wäre es mir lieber gewesen, ich wüsste es nicht.

Ich studiere in einer großen Stadt Chemie. Vielmehr studierte ich bis zu jenem nebeltrüben Sonnabendmorgen, an dem ich Brötchen holen ging. Ich trat hinaus in den leichten Regen. Herbstliche Dämmerung lag über der schmutzigen Straße. Ein paar Meter von meinem Ziel entfernt, geschah es: Es  summte.

Ich weiß nicht, weshalb ich dieses Geräusch just an jenem verhängnisschwangeren Morgen nicht ignorierte. Ich blieb vor einer großen, ehemals blau gestrichenen Holztür stehen, die mir nie zuvor aufgefallen war. Schon vor zwanzig Jahren musste ihre Farbe abgeblättert sein. Eine Scheibe war eingeschlagen, durch eine weitere zog sich ein langer Riss. Als ich schätzte, wie lange es wohl dauern würde, bis auch dieses Fenster als Loch mein Auge beleidigen würde, klang aus der Klingelanlage eine heisere männliche Stimme: »Wer ist da?«

Eine Frage, ebenso sinnlos wie das Türsummen.

Ohne nachzudenken gab ich zurück: »Ich bin’s!«

Die Stimme fragte weiter. »Hugo?«

»Ja«, log ich schnell, »ich bin’s, Hugo.«

Mein Instinkt riet mir zwar, die Finger von der Sache zu lassen, aber Instinkte sind was für Tiere.

»Komm hoch. Ich warte im Vierten.« Erneut ging der Türöffner. Es war mir ein Rätsel, warum man Hugo erklärte, in welchen Stock er zu gehen hatte. Doch ich nutzte die Gelegenheit und betrat den dunklen verwahrlosten feuchten Hausflur.

(2003)

Den kompletten Text kann man in meinem Buch „Am Donnerstag hat Gott Geburtstag“ lesen.

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