Der Notar rückte seine Fliege zurecht. „Kein Interesse an der Molkerei?“
Der Mann neben ihm blickte durch das Hoftor die Straße entlang bis zum Wald. „Meine Schwester ist die Geschäftsfrau.“
Der Notar nickte. „So geräuschlos hat noch keiner eine Firma übernommen. Gerade mal eine Todesanzeige im Lokalblatt.“ Er drehte sich zum Haus um. „Ihr Vater hat Ihnen eine schöne Villa hinterlassen. Warum wollen Sie bloß dieses Ölbild? Nicht sehr wertvoll.“
„Darum geht es nicht“, sagte Johann und betrachtete das Haus seiner Kindheit.
Hier hatte es begonnen, natürlich. Andrea hatte es kurz nach Mutters Tod verlassen. Für ihn selbst war es drei Jahre später Zeit. Der letzte Gast seiner Abschiedsparty hatte eben den Hof verlassen, als Johann an Vaters Arbeitszimmer vorbei geschlendert war. Die schwere Tür war aufgesprungen, Andrea kam heraus gestürzt und war beinahe mit ihm zusammen gestoßen.
Die Augen seiner großen Schwester erinnerten ihn immer an den Gefrierpunkt. Doch damals hatte sich Verwirrung darin gespiegelt, dunkel wie ein Tiefseegraben, ein ungewohnter Anblick. Der Schatten hielt nicht länger an als diesen Moment. Sie eilte an ihm vorüber, ohne die Tür zu schließen, ohne ein Wort.
Johann steckte vorsichtig den Kopf in den leeren Raum. Woher rührte dieser Schatten?
Außer dem Schreibtisch und der Sitzecke gab es im Raum nur Regale voll mit Gesetzbüchern und Ordnern. Und dieses eine Bildnis einer Frau, die niemand kannte. Es hing schräg. Vater hätte es nicht einmal geduldet, wenn ein einziger Grashalm hinterm Haus kürzer als die anderen war. Johann hatte das Bild von der Wand genommen und umgedreht. Er schaute auf leere vergilbte Pappe. Vorsichtig löste Johann eine der Metallklemmen, eine weitere.
Sanft segelte ein Stück Papier zu Boden.
…
( 2012 )
Den kompletten Text kann man in meinem Buch „Am Donnerstag hat Gott Geburtstag“ lesen.