Zahlen bitte!

Boomtown 07/2000

Vom 26. März 2000

Ende der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts veröffentlichten die „Boomtown Rats“ den Titel „I don’t like Mondays“. Er handelt von einer Schülerin in San Diego, die am 29.1.1979 ihre Klassenkameraden erschoss und dies einzig mit jenem Satz begründete. Um anderen Menschen ein ähnliches Schicksal zu ersparen, erscheint diese Kolumne jeden zweiten Montag in der Hoffnung auf zahlreiche Leser.

Zahlen, bitte!

Bereits in Ausgabe 05/99 vom 22.11.99 habe ich mir Gedanken über den magischen Einfluss von Zahlen auf unser Leben gemacht. Viel zu kurz kam darin allerdings ihre emotionale Wirkung: Eine kurze Umfrage in meiner näheren Umgebung ergab, dass es ausgesprochen unsympathische Zahlen gibt. Jene Antipathie ist weitgehend unabhängig von sonstigen Assoziationen, die wir mit diesen Werten verbinden könnten, wie der Geburtstag der näselnden Stieftante.

Denken wir zum Beispiel an die 17. Wer kann schon die 17 leiden? Zum Einen lässt sie sich nicht vernünftig teilen, zum Zweiten hat man nichts, wovon 17 Stück eine vernünftige Menge darstellen könnte und zum Dritten sieht sie komisch aus, so eckig, gar nichts weiches, Wärme verheißendes daran. Also 17 fällt schon als Sympathieträger total aus.

Oder, als weiteres Beispiel, die 54. Die hat allein deshalb verloren, weil sie so ähnlich ist wie 56 und man nie weiß, was 7 x 8 ist. Eine Freundin verriet mir, dass ihr Primzahlen nicht geheuer seien, und zwar je höher desto unheimlicher. Wie kann eine so relativ hohe Zahl wie 97 sich durch nichts aber auch gar nichts teilen lassen als durch sich selbst und 1? Jemand, der so eigenbrötlerisch ist, da muss doch was faul sein.

Hinzu kommt, dass man die meisten Zahlen gar nicht kennt, weil sie einem nie begegnen: Oder wem ist schon einmal eine 8.566.874.121 über den Weg gelaufen? Eben, völlig sinnlos, genau wie ihr Vorgänger, die 8.566.874.120, und der Nachfolger, 8.566.874.122. Die kommen auch nicht vor, wenn man sie mal braucht, beispielsweise auf dem Kontoauszug. Und wenn, dann nur als Kontonummer oder Buchungsart. Ich will nicht rassistisch sein, aber wenn sich etwas dermaßen rar macht, dann hat es in unserer Gemeinschaft nichts verloren und sollte unsere schöne Mathematik nicht unnötig belasten.

Dadurch gewännen wir mehr Platz für die wirklich angenehmen Zahlen, wie 25. Die hat Spannung, lässt sich sauber durch 5 teilen, hat genau die richtigen Proportionen, mit 2 multipliziert wird eine ordentliche 50 daraus und selbst im Quadrat macht sie als 625 noch eine gute Figur.

Man sollte einfach die hässlichen Zahlen streichen und durch solche angenehmen Zeitgenossen, wie es auch die 63 (ein Musterexemplar!) oder 45 sind, ersetzen.

Ein Schritt in die völlig falsche Richtung ist daher die Einführung der Sommerzeit. In jedem Frühjahr werden die überaus wertvollen Minuten Nummer 121 bis 180 in eine dunkle Kammer aus Zeiteisen gesperrt, sodass wir sofort zu den unsympathischen 181 ff. gelangen. Während alle Welt grünt und blüht, sich verliebt, heiratet, Kinder bekommt, in den Urlaub fährt, in Cafés sitzt und es sich wohl sein lässt, harren die arme 142, 156 und 175 bei Wasser und Brot aus und zerfallen dabei qualvoll in ihre Sekundenbruchteile. Nur einem faulen Kompromiss ist es zu verdanken, dass man, wenn die Temperaturen wieder unter 20 Grad sinken, notgedrungen ihr Verließ öffnet und ihnen wenigstens zur Weihnachtszeit zitternd freien Auslauf gewährt.

Doch auch ihnen wünscht eine schöne Woche: Leovinus.

(2000)

 

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